Peter Borscheid Das Tempo-Virus. Eine Kuluturgeschichte der Beschleunigung 409 Seiten, mit sw-Abbildungen 2004, 24,90 €
Es war schon der richtige Einstieg in die Lektüre des „Tempo-Virus“ : die Fahrt mit der alten Dampfeisenbahn zum mecklenburgischen Bad Doberan. Der Unterschied
zwischen dem Tempo dieses Relikts und der alltäglichen Geschwindigkeit war erlebbar.
Aber nicht nur im räumlichen Rahmen hat der Mensch es heute mit Geschwindigkeiten zu tun, die immer wieder als unvorstellbar empfunden wurden. Die Welt der
Beschaulichkeit, der Behäbigkeit, der Schwerfälligkeit - Begriffe, die frühere Gesellschaften aus heutiger Sicht kennzeichnen – ist verschwunden. Reste früherer Lebensformen verlieren immer mehr an
Bedeutung.
Dem Historiker Peter Borscheid kommt das Verdienst zu, die unendlich vielen Formen der Beschleunigung im technischen, biologischen und sozialen Leben auf eine
lesenswerte Weise ins Bewußtsein gehoben zu haben. Es gibt auch einige andere Veröffentlichungen zu dem Thema „Beschleunigung“, aber Borscheids Buch ist besonders lebendig und fesselnd. Dabei hat Borscheid
weitgehend die notwendige Zurückhaltung bei persönlichen Wertungen vermieden. Dennoch wird die persönliche Position des Autors gelegentlich schon deutlich. Aber – wie sollte ein so aufmerksamer Beobachter wie
Borscheid es ganz ohne Emotion hinnehmen, wenn wirklich alle Lebensbereiche, bis hin zur Kunst und sogar zur Evolution des menschlichen Körpers dem Tempo-Virus ausgesetzt sind.
Sehr lesenswert !
J.B.
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